Stubenhockerei

Wir gehen nie hinaus, wir bleiben nur zuhaus'.

Rece do góry (1981)

hands-up

Eigentlich hätte dieser Film schon 1967 in die polnischen Kinos kommen sollen, doch dann war der vieräugige Josef Stalin, den Regisseur und Schauspieler Jerzy Skolimowski uns in der Mitte seines Films Rece do góry (Hände hoch!) präsentiert, den polnischen Zensoren – trotz Entstalinisierung beim großen roten Bruder – etwas zu heikel.

Also springen wir zum Jahr 1981: Polen lädt den verbannten Skolimowski ein, seinen Film nach vierzehn Jahren fertig zu stellen. Einer der Hauptdarsteller ist bereits 12 Jahre tot, und Skolimowski ist gerade als Schauspieler im vollkommen ausgebombten Beirut beim Dreh von Volker Schlöndorffs Die Fälschung (1981). Und so entschließt sich der polnische Regisseur, sein ursprüngliches Filmmaterial nicht einfach geschickt zusammenzuschneiden (es war anscheinend genug da), sondern stattdessen sogar einen Teil seines alten Materials aufzugeben und durch einen vollkommen unerwarteten Prolog aus dem Jahre 1981 zu ersetzen.

So beginnt der Film mit einem fragmentarischen Filmessay, zwischen Drehtagebuch beim Schlöndorff-Dreh, Science-Fiction-haften Aufnahmen des zerstörten Beiruts, Meditation über das Wesen der Kunst und der Fiktion und Dokumentation über den britischen Blick auf Solidarność. Bis dann schließlich der „alte“ Film beginnt, nun plötzlich monochrom – mit einem jüngeren Skolimowski, der sich mit vier ehemaligen Kommilitonen trifft. Die Handlung ist ebenso fragmentarisch wie schon der einläutende Essay; sie spielt größtenteils in einem mit unzähligen Kerzen beleuchteten Viehwagon, der die fünf Freunde, die sich gegenseitig mit Gips bekleckern, vielleicht, vielleicht aber auch nicht, in ein Gefangenenlager fährt.

Wir erfahren, dass die fünf einst Probleme mit der Partei bekamen, nachdem sie bei einer freiwilligen Studentenaktion ein bombastisches Plakat von Stalin versehentlich mit vier Augen zusammenpuzzeln und aufhängen. Welche Konsequenzen dies hatte, wird nie wirklich geklärt, aber nun, im Zug, scheinen alle gesund und munter, sind selbst KP-Mitglieder und besitzen außerdem teure ausländische Autos, die ihren ganzen Stolz ausmachen.

Der Film ist, wie man merkt, irgendwie kryptisch, aber irgendwie auch ziemlich cool, eben ein bisschen à la Jean-Luc Godard von Weekend oder La Chinoise (1967). Und selbst die eigenartige Kombination von Sci-Fi-Beirut und kafkaesker Bürokratiefarce fügt sich gut zusammen.

Auf youtube gibt’s den vollständigen Film, leider aber nur auf Polnisch:

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 13. Januar 2013 von in Filme und getaggt mit , , , , , , .
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