Nein, ausgreift ist Gregg Arakis erster Film Three Bewildered People In The Night nun wirklich nicht. Alicia, ihr (homosexueller) bester Freund David und ihr Freund Craig schleppen sich durch unterbelichtete schwarz-weiße Nachtaufnahmen, sind ob der schlechten Tonspur manchmal schwer zu verstehen und ihr existentielles Rumgestöhne wird mit japanischen Zeichen untertitelt. Alicia, eine Videokünstlerin, lebt mit Craig zusammen, der nicht so recht weiß, was er mit seiner Existenz anfangen soll, der etwas tun will, ja, aber nicht in sklavischen Strukturen. Die beiden sind eigentlich ganz glücklich, für Alicias künstlerische Arbeit aber wohl ein wenig zu glücklich, wie sie ihrem Freund David klagt. Auch David ist unerfüllt in seinem Künstlerdasein – Leere, Langeweile, Lustlosigkeit; Craig bietet hier ab und an Widerstand mit seinem Vermögen sich für Dinge zu begeistern, die Alicia und David naserümpfend abtun. Es reift jedenfalls etwas heran zwischen Craig und David, aber aus Liebe Alicia gegenüber halten sie sich zurück, bis es dann doch durchbricht und eine zunächst verletzte Alicia zurück lässt. Aber Gregg Araki wäre nicht Gregg Araki, wenn es für eine solche Situation keine schöne Lösung gäbe. Und endlich lächeln alle drei ganz losgelöst zusammen.
Ich war drei Jahre alt, als Gregg Araki diesen Film gemacht hat und trotzdem fühle ich mich in seinen Filmen wohl und angenommen und verstanden. Die Probleme seiner Charaktere mögen zwar gemessen an Weltproblemen nichtig und hohl sein, und klar, sind sie auch zeitweise ziemlich weinerlich, aber man lebt nunmal mit sich, in seinen eigenen Umständen und mit seinen eigenen Problemen und macht es sich natürlich auch unnötig schwer und natürlich sollte man versuchen sich nicht vollkommen willenlos in sein Leid zu ergeben, aber dennoch! Man hat nunmal eine einzige andere Wahl, als mit sich selbst zu leben und zurechtzukommen, und die ist für die meisten zu überwältigend, also hat man eigentlich eben keine andere Wahl, als sich selbst Tag für Tag zu ertragen und da mögen für einen Außenstehenden die Probleme bloß Problemchen sein. Gregg Araki zelebriert diese Probleme und den Umgang seiner Charaktere mit ihnen aber nicht; seine Figuren sind verloren und verwirrt eben, sie streifen durch neonerleuchtete Nächte mit Verkehrsrauschen als Soundtrack – da verirrt man sich, da verwirrt man sich. Ich bin dreißig Jahre alt und die Verwirrung hat noch immer nicht nachgelassen und deshalb hab ich Gregg Arakis Filme und Figuren lieb, weil ich mich mit ihnen treffe und nichts erklären muss und irgendwie finden sie immer einen Weg weiter, vielleicht keinen Weg hinaus, aber dennoch weiter, erstmal einfach weiter und darauf hoffen, dass die Verirrung, dass die Verwirrung, genauso plötzlich verschwindet, wie das Leben plötzlich einsetzt oder die Erkenntnis, dass man jetzt erwachsen zu sein hat und nichts mehr versteht, wo man doch neulich noch, mit 14,15,16 vehement darauf bestanden hat, dass man doch schon längst erwachsen sei! In meinen Teenagerjahren schon, da hätte ich Gregg Araki dringend gebraucht.
Und dann ist da noch seine tolle Musikauswahl, die anscheinend wegen Copyright-Problemen eine Neuveröffentlichung von Three Bewildered People In The Night bisher verhindert. Gut, dass es digitalisierte japanische VHS-Veröffentlichungen gibt, die freundliche Menschen ins Netz stellen. Und gut, dass es Gregg Araki gibt. ■(Malina)
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par benoit david
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