Eigentlich möchte ich ja gar nicht anfangen, Stan Brakhage durch die Sätze zu Dore O.s Kaldalon zu werfen; dafür liebe ich Brakhage zu sehr und Dore O.s wunderbares Werk verdient das eigentlich auch nicht, denn es kann ganz allein und für sich selbst stehen. Aber natürlich ist Brakhage ein guter Anknüpfungspunkt, denn wenn man Brakhages Filme mag, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich von Kaldalon eben nach Kaldalon entführen lassen kann, sehr hoch. Ich musste vor allem an Creation denken und Herr Schmock sprach Dog Star Man aus. Selbst Jonas Mekas soll geschrieben haben: „Dore O.’s Kaldalon, coming perhaps closest to the Brakhage aesthetic, a very beautiful and complete work.„
Aber eigentlich wollte ich ja nicht mit Brakhage anfangen….
Kaldalon ist ein Reisefilm. Und Kaldalon liegt irgendwo in Island. Die Reise ist traumwandlerisch, voll Nebel, Dunst und Dämpfen, voll Wasser, Wind und ätherischer Gestalten, voll karger Landschaft, einsamer Häuser und nur einem einzigen gesprochenen Satz: „Ich esse gerne Fleisch.„. Und die Ästhetik, ja, sie erinnert an Brakhage, aber Dore O.s Herangehensweise ist eine andere. Während Brakhages Obsession fast ausschließlich dem Sehen galt und Ton für ihn nur Ablenkung bedeutete, ist der Ton bei Kaldalon, wie auch schon in Alaska, recht wesentlich. Diese Tonspur, eine Mischung aus Field Recordings, Noise und ja, experimenteller Musik, für die neben Dore O. noch Anthony Moore verantwortlich war, klingt so unglaublich modern, dass mir fast die Synapsen vor Erregung und Überraschung platzen. Dabei gab’s ’71 noch nicht mal Brian Eno in seiner großen Form, White Noises An Electric Storm kam gerade mal zwei Jahre vorher raus ebenso wie Mick Jaggers Soundtrack zu Kenneth Angers Invocation Of My Demon Brother. Und die Symbiose aus Bildern und Ton verwächst zu einem Gefühl von Erinnerung, als seien die Nebel Kaldalons, das Rauschen der menschenkargen Landschaft und dieser Wind, in dem man fast ins Schweben gerät, mit der richtigen Mischung aus fallen lassen und dagegen ankämpfen, mit meinen Adern verwuchert. Keine Reise durch Raum, aber eine Reise durch Zeit- und Gefühlsebenen. Ein Stück Kaldalon ist in Dore O. und ein Stück Dore O.s Kaldalon ist in mir, ist eine Erinnerung nun und mein lieber Herr Schmock und ich kicherten, dass man eventuellen Besuchern Kaldalon tatsächlich als eigene Reisedokumentation präsentieren könnte, kennt heute schließlich eh niemand mehr. Leider, wohlgemerkt. Und es ist so faszinierend, dass auch Film, so wie jede Kunstform, ein vollkommen abgründiges Universum ist, dessen Unendlichkeit und Vielfalt und Schönheit und Reichhaltigkeit sich Stück für Stück zeigt, wenn man furchtlos ist. Als käme man von einem riesigen Felsen hinab zu einem Sandstrand. ■(Malina)
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